Haushaltsrede 2024

Haushaltsrede 2024

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

im Namen der SPD-Fraktion gebe ich heute das letzte Mal die Stellungnahme zum Haushalt ab, denn
in diesem Jahr werde ich nach 49 Jahren aus dem Gremium ausscheiden. Zum ersten Mal wurde ich
am 20.April 1975 gewählt und zwar auf Platz 22. Danach haben sich meine Wahlergebnisse
verbessert.

Die Vergangenheit möchte ich nicht verklären, wie es sich nahelegen könnte bei alten Männern. Es
war nicht alles besser früher. Ein Beispiel: Als Nichtraucher hatte ich in der Anfangsphase im
Gemeinderat sogar sehr gelitten, weil während der Sitzung noch ungebremst geraucht wurde. Mit
Hilfe vom damaligen Stadtrat Weis, dem Ehemann unserer späteren Stifterin Hanna Weis, zeigte die
Ratsmehrheit Einsicht und erklärte den Sitzungssaal zur rauchfreien Zone.
Bei unserer Stellungnahme ist auch dieses Jahr wieder der Hinweis auf die Ausgangssituation unsere
Stadt notwendig.

Die vielteilige städtische Struktur in landschaftlicher schöner Umgebung ist auch der Grund für
unseren permanenten finanziellen Engpass. Es ist schon öfters erwähnt worden, wie viel einfacher
es für Gemeinden in etwa gleicher Bevölkerungsgröße aber in kompakterer Ortsstruktur ist, eine
kommunale Grundversorgung bereitzustellen.

Es ist für die SPD-Fraktion wichtig, darauf immer wieder hinzuweisen, nicht nur weil Neckargemünds
Bevölkerung sich jährlich um etliche hundert Einwohner durch Zuzug und Wegzug verändert,
sondern weil auch alteingesessene Bürgerinnen und Bürger das manchmal vergessen.

Die Finanzierung der städtische Pflicht- und freiwilligen Leistungen war immer schon eine Sorge, die
meine Zeit im Gemeinderat von Anfang an begleitet. Leichte Zeiten hat es nie gegeben, aber die
Vorgaben des Neuen Kommunalen Haushaltsrechts verschärfen noch einmal die Beschreibung der
Lage. Der griechische Mythos des Sisyphus kommt uns in den Sinn, denn kaum haben wir es
gemeinsam geschafft, einen dicken Brocken zu bewältigen und hoch zu stemmen, da rollt uns ein
neuer Brocken entgegen und die mühsame Kraftanstrengung geht von neuem los.

Angesichts dieser Gesamtlage hat die SPD-Fraktion sich auch in diesem Jahr mit Wünschen und
Änderungsanträgen zurückgehalten und nur zwei Anträge gestellt:

  1. Je 20 000 € für die Ortsteilentwicklung von Waldhilsbach, Mückenloch und Dilsberg
    Da die Verwaltung für Waldhilsbach von sich aus in diesem Jahr schon einen Betrag von 20 T€
    eingestellt hat, möchte die SPD-Fraktion die Beträge für Mückenloch und Dilsberg als
    Erinnerungsposten im Haushalt behalten. Wir wissen wohl, dass die Verwaltung nicht drei
    Dorfentwicklungspläne in einem Jahr stemmen kann, aber der neu gewählte Gemeinderat wird bei
    der HH-Beratung 2025 daran erinnert.
  2. 20 000 € als Grundstock für die Finanzierung eines Bürgerbusses
    Im Zuge der Haushaltsberatung hat die SPD-Fraktion diesen Antrag modifiziert: Im laufenden Jahr
    möge die Verwaltung bei den Gemeinden, die schon Erfahrung mit einem Bürgerbus haben, die
    rechtlichen und praktischen Aspekte erkunden. Im Jahre 2025 könnte dann die Anschaffung des
    Busses erst haushaltsrelevant werden.

Wünsche hätten wir noch mehrere gehabt, aber wir sind uns der angespannten Finanzlage bewusst.
Ebenso sind wir uns bewusst, dass wir das Personal der Verwaltung nicht mit immer neuen Aufgaben
belasten können, um gleichzeitig zu kritisieren, wenn Aufträge nicht bearbeitet werden konnten.
Wichtig wäre auch zu beachten, dass das Kerngeschäft nicht zu sehr aus dem Gemeinderat in neue
Gruppierungen und Gremien verlagert wird. Der von den GRÜNEN beantragte Sozialbeirat und die
Stadtteilkonferenzen sind z.B. damit gemeint. Die Vorschläge eignen sich aber unseres Erachtens
besser für ein Wahlprogramm zur Bürgermeister- oder Gemeinderatswahl und sollten nicht noch in
den diesjährigen Haushalt hineingedrückt werden. Der Einfluss des Gemeinderats auf den sozialen
Bereich ist vergleichsweise deutlich geringer als es beim Klimaschutzbeirat der Fall ist. Wir sollten
deshalb unsere ganze Kraft zuerst darauf verwenden, dass die Anregungen des Klimabeirats
möglichst zügig behandelt und umgesetzt werden.

Die Bedingungen für eine städtische Immobiliengesellschaft sind längerfristig vielleicht ins Auge zu
fassen. Vor längerer Zeit gab es schon im Gemeinderat diese Überlegung. Sie wurde aber damals
fallengelassen, weil in unserer Nachbarschaft eine kommunale Baugesellschaft gerade abgewickelt
werden musste.

Aber die Frage nach Neckargemünds Beitrag zu bezahlbarem Wohnraum muss für den nächsten
Gemeinderat mit oben auf der Agenda stehen. Mangels geeigneter eigener städtischer Grundstücke
– von Herrenweg 17 einmal abgesehen- wird es keine leichte Aufgabe werden. Aber hoffentlich
wächst auf Landes – wie auf Bundesebene die Einsicht, dass Gemeinden einer besonderen Förderung
in diesem Bereich bedürfen. Vielleicht bietet sich vorerst eine Kooperation mit einer größeren
kommunalen Baugenossenschaft an.

Wir hoffen sehr, dass die Bundesförderung für Sportanlagen nicht von den Kürzungen betroffen ist,
die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausgelöst worden sind. Eine
betriebswirtschaftliche und auch ökologische Aufbesserung des gesamten Schwimmbadareals wäre
ein großes Plus für unsere Stadt. Denn das Terrassenbad ist ein touristisches Alleinstellungsmerkmal
für Neckargemünd.

Solange die engen wasserrechtlichen Vorschriften eine für Normalverdiener bezahlbare Erschließung
des seit mehreren Jahren unerledigten Bebauungsplanvorhaben Haager Feld in Mückenloch nicht
geändert werden können, sollte die Stadt dieses Kapitel schließen, aber vorher der Bevölkerung
deutlich erklären, warum über etliche Jahre kein Fortschritt erzielt werden konnte.
Der Bebauungsplan „Sandklinge“ in Waldhilsbach sollte so gestaltet werden, dass er für moderne
flexible Bauformen offen ist.

Starkregenereignisse in allen drei Ortsteilen zeigen die Notwendigkeit auf, rechtzeitig Maßnahmen
einzuleiten bevor die nächsten Überschwemmungen zu verzeichnen sind.
Der Neubau eines Feuerwehrhauses in Dilsberg hat sich über Jahre verzögert und wird wohl erst
nach der Bürgermeisterwahl neuen Schwung bekommen. Für eine Diskussion der Ausführungsart
sind wir offen, haben aber große Zweifel, ob der vom Ortschaftsrat wieder in die Debatte geworfene
Standort Tuchbleiche ernsthaft gemeint sein kann oder nur ein provokativer Versuch ist zur Belebung
des Interesses an diesem notwendigen Projekt.

Der Fahrradunterstellturm mit dem wohlklingenden Titel „Radhaus am Rathaus“ wird von der SPDFraktion weiterhin als zu überdimensioniert und damit nicht zu Neckargemünd passend abgelehnt –
auch wenn der Förderungsbescheid von 1 Million Euro vor ein paar Tagen im Rathaus eingegangen
ist und in der nächsten Gemeinderatssitzung die endgültige Beschlussfassung auf der Tagesordnung
stehen wird .

An der Besichtigung eines „Radhauses“ am Heilbronner Bahnhof habe ich ja auch teilgenommen. Die
mangelnde Auslastung ist ein Argument, aber die Anfälligkeit von Aufzugstechniken konnten wir am
S-Bahnhof Altstadt wochenlang beobachten. Das ist ein weiteres Argument. Für bescheidenere
Lösungen sind wir natürlich offen.

Es war für mich ein kleiner Schock, als wir bei der Einbringung des Haushalts durch den
Bürgermeister im Dezember erfahren mussten, dass die Gebäudeleittechnik am Schulzentrum „am
Ende seiner Lebensdauer angekommen“ ist. Dabei sind in meiner Erinnerung der Brand des
Schulzentrums und der Neubau noch nicht in grauer Ferne gewesen.
Neben der finanziellen Seite der Erneuerung der Schützenhausbrücke wird die Gewährleistung der
Einsatzbereitschaft unserer Hauptfeuerwehr sein, da Einsatzfahrzeuge weder durch die
Eisenbahnunterführung am Friedhof noch durch die am Melacpass hindurchfahren können und eine
jeweils hälftige Erneuerung der Brücke nicht einfache verkehrstechnische Probleme aufwerfen wird.
Es ist noch nicht lange her, dass der Gemeinderat den Ankauf eines Areals an der Mühlgasse
mehrheitlich abgelehnt hat. Hintergrund der Entscheidung für die Ablehnung war u.a. die
Befürchtung, dass die Stadt ein Gebäude erwerben würde mit noch nicht bezifferbarem
Sanierungsbedarf.

Der Erwerb des Martin-Luther-Hauses wird noch in diesem Jahr zur Entscheidung anstehen – ein
Objekt ebenfalls mit Sanierungsbedarf. Für mich persönlich gibt es aber keinen Zweifel, dass dieses
Gebäude in zentraler Lage in öffentlicher Hand bleiben sollte.
Ein bei der Haushaltsberatung noch nicht vorhersehbarer Sisyphus – Brocken wird die
Hangsicherung „Am Mühlwald“ in Dilsberg sein. Auch Nichtfachleute können sehen, dass
tiefgegründete meterhohe Stützmauern zur Hangsicherung nicht nur viel Beton, sondern auch
Unsummen verschlingen werden.

Die Beibehaltung des interfraktionellen Antrags zur „Optimierung und Analyse der Prozesse und
Strukturen in der Verwaltung“ möchte die Fraktion weiterhin unterstützen. Der Einwand der
Verwaltung , dass die Wahlen im 1. Halbjahr nur ein verfälschtes Bild der Organisation abgäben, ist
zwar zu akzeptieren, aber mit einem neu zusammengesetzten Gemeinderat in der 2. Jahreshälfte
wäre ein erneuter Blick auf Verwaltungsstruktur und –Verwaltungsabläufe doch empfehlenswert.
Am Anfang meiner Stellungnahme zum Haushalt habe ich einige rückwärtsgewandte Bemerkungen
als Gemeinderat gemacht. Zum Abschluss möchte ich den Blick nach vorne richten und den
nachfolgenden Gemeinderäten sowie der Stadt alles Gute wünschen und hoffen, dass in näherer
oder etwas ferneren Zukunft die eine oder andere Wunschvorstellung keine Utopie bleibt sondern
zur Wirklichkeit wird.

Vielleicht ergibt sich für die Gemeinden irgendwann einmal ein neues Finanzierungssystem.
Oder eine Landesregierung entlastet die Gemeinden wenigstens dadurch, dass stufenweise die
Gebührenfreiheit der Kindergärten hergestellt wird.
Das würde die städtischen Haushaltssorgen nicht gänzlich beseitigen, aber doch mehr Spielraum
schaffen.

Ein Zukunftswunsch ist auch: Auf fast allen Dächern gibt es Solaranlagen. (In der Altstadt natürlich
nicht-reflektierende!)

Ein weiterer Wunsch: Um die Energiewende zu unterstützen, gründet sich eine Bürgerenergiegenossenschaft o.ä., in der möglichst viele Bürgerinnen und Bürger Anteile erwerben.
Fasziniert hat mich das Beispiel von Heidelberg: Die Stadtwerke Heidelberg wollten wichtige Umwelt
-und Energieprojekte über eine Anlageform genannt „Heidelberg Klima –Invest“ mit Anteilen aus der
Bürgerschaft finanzieren. In nur vier Tagen war die Anlage schon überzeichnet !!! Ein erfreuliches
Vorbild?!

Als erstes Projekt für dieses Bürgerengagement könnte ich mir eine PV-Anlage auf der ehemaligen
Erdaushubdeponie in Mückenloch vorstellen.
Etwas utopischer wäre z.B.eine Flusswärmepumpe am Neckar.

Eine weitere Wunschvorstellung: Die Ortseinfahrt von HD aus wird so weit wie möglich wieder zur
Allee – zur Verbesserung des Stadtklimas und zur Verbesserung der Akzeptanz einer 30er Zone dort.
Ebenso wünschenswert: Große Busse fahren nicht mehr durch die Altstadt, sondern ein Ringverkehr
kleiner selbstfahrender E-Busse zum und vom Bahnhof Neckargemünd ermöglicht eine neue Form
der Mobilität und erhöht dabei den Aufenthaltswert der Altstadt.

Die Kernstadt und jedes unserer Ortsteile entwickelt ein lebendiges Zentrum mit
Begegnungsmöglichkeiten für Jung und Alt.

So viel einmal zur Anregung von Kreativität und Phantasie.
Jetzt bleibt mir noch Dank an alle zu sagen, die sich um unsere Stadt bemühen:
Dem Bürgermeister und allen Mitgliedern der Stadtverwaltung und der städtischen Dienste,
der Feuerwehr und den anderen „Blaulicht“-Institutionen wie Polizei, Rotes Kreuz und THW
Für die Erstellung des Haushalts gilt besonders dem Team um unseren Kämmerer, Herrn Möhrle,
unser Dank.

Die SPD-Fraktion stimmt dem Haushalt 2024 zu.

Winfried Schimpf, Fraktionsvorsitzender Neckargemünd, den 27.Februar 2024

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